Gib mir Gelassenheit, Dinge hinzunehmen,
die ich nicht ändern kann;
gib mir den Mut, Dinge zu ändern,
die ich zu ändern vermag,
und gib mir die Weisheit,
das eine vom andern zu unterscheiden.

Rainer Maria Rilke

Freitag, 15. April 2011

Der erste Tag

Irun - San Sebastian ( Donostia ) 26 km 

Kurz nach 21.00  Uhr komme ich in Irun an. Ich finde die Herberge in der Nähe des Bahnhofs sofort. Jetzt bin ich schon das dritte Mal in Irun. Leider hatte ich in den beiden Jahren vorher keine Ahnung, dass es in Irun als Ausgangspunkt zum Camino nord eine Herberge gibt und bin in jedes Mal in teuren Hotels abgestiegen. Die Unterkunft ist in einem Wohnhaus und  auf mein Klingeln öffnet einer der Pilger. Es sind nur wenige Pilger da und von einem Hospitalero oder Herbergsvater  keine Spur. Es ist fast 22.00 Uhr und weil ich müde bin  schreibe mich in das Buch ein, belege ein Bett in einem der Zimmer. Gegen 23.00 erscheint ein älterer Mann und erklärt mir, dass man sich nicht selber in das Buch schreibt sondern auf ihn warten muss. Allerdings geht er aber immer vom 9.00 bis 11.00 Uhr zum Abendessen. Außerdem bin ich im falschen Zimmer und muss in ein anderes Zimmer, das aber ebenfalls leer ist. Ich bin etwas irritiert messe dem ganzen aber wenig Bedeutung zu. Jedenfalls schlafe ich ausgezeichnet und werde um 6 Uhr von lauter aber klassischer  Musik und von Glockengeläut geweckt. Der Hospitalero erscheint an meinem Bett und gibt mir unmissverständlich zu verstehen, dass ich sofort aufstehen muss. Als ich die Herberge verlasse, sitzen die anderen Pilger beim Frühstück und ich werde laut und herzlich verabschiedet. Schade, dass ich nie frühstücke, ich wäre jetzt gerne noch mit den anderen am Tisch gesessen.
Herberge in Irun
 

Am Morgen des ersten Tages erst mal durch Irun























Der erste Tag ist immer schlimm. Obwohl ich doch genug trainiert habe und auch wesentlich weniger Gepäck herumschleppe, als die letzten Jahre, drückt mich mein Rucksack wie ein  Kleiderschrank. Und dann erst die Strecke:
Nur kurz durch die Stadt und gleich von 0 auf 500 Meter. Oben angekommen bin ich schon nass und auch das Wetter sieht jetzt noch nach Regen aus. Aber dann der Anblick über das Wasser und die Küste. Einfach traumhaft. Die nächsten etwa 12 Kilometer auf dem Kamm immer am Meer entlang sind ein außergewöhnliches Erlebnis.  Außer `ne Menge Pferde mit Glocken um den Hals treffe ich nur noch 2 Pilger. Einer aus Frankreich und einer aus Tschechien. Das heißt aber nicht, dass es hier oben einsam ist im Gegenteil. Für Jogger und Mountainbiker ist diese Strecke ideales Trainingsgebiet.





 




Ermita de Guadalupe

auf dem Weg zum Jaizkibel

Der erste Blick auf den Atlantik


















Dann muss ich wieder runter auf Meereshöhe, überquere mit einem kleinen  Boot den Atlantik, jedenfalls 100 Meter davon. Jetzt, nach über 4 Stunden, mache ich eine Pause und sitze in der Sonne.
Dann muss ich wieder auf 400 Meter rauf. Die nächsten 4 Kilometer Küstenweg entschädigen für diese Strapaze. Immer wieder werde ich von Walkern und Joggern überholt. Jetzt spüre ich zum ersten Mal, dass ich mich hier in einem der bevölkerungsreichsten Gegenden Spanien befinde. Und als ich das erste Mal auf San Sebastian blicke frage ich mich, ob es überhaupt möglich ist, sich  aus den großen Städten herauszuhalten. Jetzt ist es noch keine zwei Uhr, aber ich beschließe, dass ich in einer der beiden Herbergen vor San Sebastian übernachten werde. Die Stadt will ich morgen in aller Frühe durchqueren.





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Die erste Herberge die ich anlaufe, ist die einer christlichen Gemeinschaft, von der es auch einen Ableger in Deutschland gibt. Ein riesengroßes Gelände und mittendrin 2 Mongolenzelte die besser ausgestattet sind als manche Herberge. Ein paar Kilometer vor San Sebastian liegt diese Enklave und ich bin total beeindruckt. Die Gastfreundschaft mit der man empfangen wird ist unbeschreiblich.  Eigentlich will ich bleiben und trotzdem zieht es mich weiter.



















Bin aber dann noch 1km weiter und übernachte jetzt in einer Jugendherberge, die mit einer Jugendherberge (wie ich sie kenne) aber nichts gemein hat. Ferienwohnung mit 4 Betten und Küche. Restaurant, Internet und das tollste: Sie liegt oberhalb von St. Sebastian und der Blick auf diese tolle Stadt ist einmalig. Außerdem ist jetzt das beste Wetter. Ich sitze mit TShirt in der Sonne.
Es ist kurz nach zwei und die Spanier kommen zum Essen. Nach langem Warten bekomme ich für 24 Euro ein Zimmer, was heißt Zimmer. Ein Appartement mit Küche und Terrasse. Ausgestattet für 4 Personen aber alles für mich allein. Ich bin begeistert. Ich dusche und mache mich frisch. Die Bettwäsche duftet hervorragend und nachdem ich mein bett bezogen habe gehe ich in das Restaurant, bekomme allerdings keinen Platz. Macht nichts essen will ich eh erst heute Abend und ein Bier bei der Aussicht ist im Moment das was ich mir eigentlich gewünscht habe.
Was mich dann doch etwas verwundert, ist die Ausgelassenheit, der jungen Leute die ungeniert ihre Drogen auspacken und genussvoll Zigaretten drehen. Während ich noch überlege, was wohl in den Plastikbeuteln ist und an Kamillentee denke lese ich die Speisenkarte und freue mich auf das Abendessen. Ich gehe noch ein wenig spazieren und genieße die wunderschöne Landschaft.






Um 19.00 Uhr begebe ich mich erneut ins Restaurant. Das Restaurant hat sich geleert, lediglich auf der Terrasse sitzen noch die jungen Leute von heute Mittag, jetzt allerdings ziemlich zugedröhnt. Ich weiß nicht, ob von dem vielen Alkohol oder den „ Kamillenteezigaretten“  Um 20.00 Uhr ist immer noch nichts los im Restaurant und auch vom Koch ist nichts zu sehen. Die Edelstahlküche ist picobello geputzt und leuchtet im Abendrot der untergehenden Sonne, die jetzt im Meer hinter San Sebastian verschwindet. Eigentlich ziemlich romantisch. Doch ich habe Hunger.
Schnell gibt mir die Angestellte hinter der Bar zu verstehen, dass abends keine Küche geöffnet ist und auch nichts zu essen gibt. Nicht hat mal ein Sandwich. Ich bin ganz schön frustriert und kaufe mir am Automat ein Päckchen Erdnüsse und eine Tafel Schokolade. Dann setze ich mich auf meine Terrasse und ärgere mich, dass ich nicht in der letzten Herberge geblieben bin.
Um 22.00 Uhr gehe ich ins Bett und schlafe auch schnell ein, es ist doch schön wenn man ein Zimmer für sich hat. Doch schon eine Stunde später werde ich unsanft aus dem Schlaf gerissen. Vier junge Leute erscheinen. Nach ihrem Aussehen sind es Radpilger oder auch nur Radfahrer. Und jetzt komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie packen aus und fangen auch noch an zu kochen. Ich koche auch, aber ganz anders. Die 4 Spanier tun so, als ob ich überhaupt nicht im Zimmer wäre. Was bleibt mir übrig, als aufzustehen. Ich setzte mich auf die Terrasse und schaue in den trotzdem schönen Sternenhimmel. Es dauert nicht lange, da sitzen auch zwei von den Späteinkehrern neben mir und blasen ihren Zigarettenrauch in den kalten Wind, der wiederum mir den Dunst um die Nase führt.



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