Gib mir Gelassenheit, Dinge hinzunehmen,
die ich nicht ändern kann;
gib mir den Mut, Dinge zu ändern,
die ich zu ändern vermag,
und gib mir die Weisheit,
das eine vom andern zu unterscheiden.

Rainer Maria Rilke

Sonntag, 14. Februar 2010

Ich sitze wie auf Koffern




Hallo Klaus,

ganz lieben Dank für Deine informative mail- wie Du ja weißt saugt man jede neue Nachricht über den Weg begierig auf. Es ist ja trotz allem ein riesiges Fragezeichen. Zur Zeit kreisen meine Hauptgedanken um ein eventuelles Verlaufen und das dann vielleicht nicht rechtzeitige Erreichen einer Herberge. Und wie verhält man sich, wenn man in ein Unwetter gerät- Gewitter, sintflutartige Regenfälle und und und.
Nachdem ich ja zunächst die große Strecke Pamplona-Santiago gehen wollte, spiele ich jetzt mit
den Gedanken ein wenig bescheidener anzufangen, und in Burgos zu starten. Oder kann man gut
auch mal eine Strecke mit dem Bus fahren? Klar, werde ich die einfachen Pilger-Herbergen ansteuern.
Mir geht es ja bei diesem Abenteuer nicht um körperliche Höchstleistungen, sondern vor allem um menschliche Erlebnisse und Erfahrungen unter außergewöhnlichen Bedingungen. Jeder einzelne Pilger hat seine einzigartige Geschichte und seinen ganz persönlichen Hintergrund- das ist spannend, und verbindet sicher auch. Ansonsten lasse ich mich zur Zeit von Paul Coelho inspirieren. Schlüsselerkenntniss ist zur Zeit der Spruch von seinem Reisebegleiter Petrus: " Das erste Symptom dafür, daß wir unsere Träume töten, ist, daß wir nie Zeit haben. "Ein Mensch darf nie aufhören zu träumen. Der Traum ist für die Seele, was Nahrung für den Körper bedeutet, heißt es bei Coelho. Ich denke, dass ist auch ein Motiv, mich auf den Weg zu machen. Ich
bin neugierig auf die Begegnung mit mir selbst, auf die Besinnung auf meine Wurzeln, und darauf eine langsamere Gangart einzulegen, um eher zu mir selbst zu finden.
Danke für das Angebot mit den DVDs - morgen kommt mein Computerspezi, und ich hoffe, das er das Problem "Knacken" wird. Klar, kannst Du meine Lehrlingsfragen ins Netz stellen. Beim Thema Rucksackpacken steht für mich fest: ganz, ganz sparsame Garderobe. Der einzige Luxus an Gewicht wird mein Tagebuch und eine Art Mantra-Bibel sein, die mir hoffentlich über seelische Durststrecken hinweghilft.
Schön, das bei Dir die Anreise steht. Bei uns in der Umgebung findet übrigens am 26.3. ein Wochenend-Seminar mit Raimund Joos zum Pilgern auf dem Jakobsweg statt. Da werde ich dabei sein, und neugierig die Ohren spitzen. Also nochmals lieben Dank fürs virtuelle coachen.

Hallo ,

In dieser Faschingswoche mit viel Helau und Alaaf ( bei uns sagt man „Narri - Narro“) ist die Sehnsucht nach etwas Ruhe und Besinnlichkeit enorm gestiegen. Außerdem kommt jetzt die Zeit, wo man sich nach dem vielen Schnee und dem wirklich schönen Winter wieder etwas nach Frühling sehnt.

Deine Gedanken übers Verlaufen, schlimme Unwetter und wilde Tiere will ich gar nicht erst aufgreifen. Das ergibt sich von selbst. Nach den ersten Kilometern wird sich das erledigt haben.
Es gibt ein afrikanisches Sprichwort

Nur wenn man sich im Weg irrt, 
lernt man den richtigen Weg kennen.

Die Idee – erst mal etwas kürzer zu gehen – finde ich sehr gut. Ich stand vor dem gleichen Problem und habe lange daran herumgedoktert.
Für mich wäre es eine Katastrophe gewesen, nach hundert oder zweihundert Kilometern aufzugeben, oder das Ziel erst im nächsten oder übernächsten Jahr ( Wenn überhaupt)zu erreichen. Also, was tun? Es gibt viele, die die Strecke SJPdP bis Santiago in mehreren Jahres- Etappen laufen und die damit gut zurecht kommen. Und denen ist es auch egal, ob sie erst in ein oder zwei Jahren die Kathedrale in Santiago erreichen. Für mich war es aber wichtig erst einmal in Santiago anzukommen, deswegen habe ich zuerst die Strecke so gewählt, dass die Wahrscheinlichkeit das Ziel zu erreichen, sehr groß war. Und ich war glücklich, dieses Ziel mit den vielen anderen erreicht zu haben, egal woher sie kamen oder wie viel Kilometer sie gepilgert waren. Wer einmal die Atmosphäre in Santiago erlebt hat, den lässt der Jakobsweg nicht mehr los, ob er nun 100 oder 800 Kilometer zurückgelegt hat. Mir hat das jedenfalls Antrieb gegeben.

Die sog. Compostela ( Urkunde) war zuerst Nebensache für mich und eigentlich nicht wichtig.
Der Pilgerpass nur ein unerlässliches Mittel um in den Herbergen zu übernachten.
Das hat sich aber schon nach der ersten Etappe geändert.
Der Pilgerpass dokumentierte nicht nur meine Leistung, sondern wurde so etwas wie der Mitgliedsausweis einer Gruppe, in der ich mich aufgehoben fühlte und deren Mitglieder nicht nur das gleiche Ziel hatten.
Auch hier ist wieder nicht nur das Ankommen in Santiago gemeint, sondern auch das Ankommen in mir selbst.


Wer übrigens die Urkunde haben will, der muss die letzten 100 Kilometer mit 2 Tagesstempeln nachweisen können. Wer aber 600 Kilometer gepilgert ist, aber die letzten Hundert nicht, der geht leer aus.
Wer mit dem Bus oder Privatauto fährt, wer in einer Reisegesellschaft ein paar mal „spazieren geht“ oder wer mit dem Wohnmobil anreist um jeden Tag 5 Kilometer zu joggen bekommt aber die Urkunde, wenn er zwei Stempel pro Tag nachweist. Da jeder Kiosk oder Laden, jede Kirche oder Pension, jede Gemeinde und jede Pinte eifrig Stempel in deinen Pass drücken, ist dies einfacher als sonst was. Und wenn man bedenkt, dass der Spanier viel dafür gibt, wenn er z.b. diese Urkunde seinen Bewerbungsunterlagen beilegen kann oder muss, dann weiß man auch, dass hier dem Beschiss Tür und Tor geöffnet sind.
Aber darüber habe ich mir nur am Anfang Gedanken gemacht. Wichtig war für mich nur das, was ich auch für mich verantworten konnte.

Das Wochenendseminar mit R. Joss würde ich gerne erleben, leider ist dieser Weg nach Norden „weiter“ als der Weg nach Santiago.

So nun hab ich schon wieder so viel geschrieben, deshalb komme ich zum Schluss und will dir auch ein Zitat mitgeben.

Du musst deinen eigenen Weg finden, nicht meinen.
- Richard Bach, EinsSein


Und wie, wo oder wann du deinen Weg gehst, ich hoffe wir treffen uns unterwegs.
Viele liebe Grüsse
Klaus

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